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Historie und Chronik
Die Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik von 1918 bis 1938
Die Entscheidungsfindung der Siegermächte,
das UN-Hochkommissariat und die Zeit der tschechischen Herrschaft nach dem Ersten Weltkrieg.

Entwicklung der Stadt und politisches Umfeld.

 

Versailler Diskussion - Als Rohmaterial

Als die Tschechen 1921 ihre erste Volkszählung durchführten, bekannten sich von den 40 000 im Ascher Bezirk wohnenden Menschen ganze 183, also noch nicht einmal ein halbes Prozent, zur tschechischen Volkszugehörigkeit. Im Jahre 1930, als der Bezirk auf 45 000 Einwohner angewachsen war, gab es darunter auch erst 520 Tschechen, also wenig mehr als ein Prozent.

Das Ascher Gebiet hatte von allen sudetendeutschen Bezirken den weitesten Abstand zur Sprachengrenze. Das ganze breite Egerland lag abschirmend dazwischen. Die tschechischen Vorstöße, insgesamt Teile eines großangelegten strategischen Offensivplanes, erreichten unsere Heimat daher meist verbraucht oder doch stark abgeschwächt. Während entlang der Sprachengrenze und in schmaleren deutschen Randgebieten die Vertschechung in wenigen Jahren rapide Fortschritte machte, weil dorthin die Hauptstoßkraft der Tschechisierung zielte, vermochten die Tschechen im Ascher Bezirk ihren Bewohneranteil eben nur unwesentlich zu erweitern. Zumeist wider ihren Willen abkommandierte Beamte, aber keine sonstige gesellschaftliche Schicht, hoben den tschechischen Bevölkerungsanteil knapp über das erwähnte eine Prozent. Bis zuletzt waren hier auch in allen Verwaltungsgebieten die verhältnismäßig meisten Deutschen geblieben. Die Gendarmerie freilich als unmittelbare staatliche Exekutiv-Truppe wurde völlig tschechisiert.

St. Germain en Laye, Trianon, Versailles: In diesen bezaubernd schönen Schlösschen vor Paris erfüllte sich das Schicksal der europäischen Mitte, insbesondere das unserer engeren Heimat für zwanzig weitere Jahre. Der Name der Stadt Asch tauchte in den Auseinandersetzungen von St. Germain auf. Am 11. März 1919 schlug der Amerikaner Allan W. Dulles vor, das westliche Egerland und den Rumburger Zipfel der im Werden begriffenen Tschecho-Slowakei nicht zuzuschlagen. (Der Sachverständige Coolidge hatte diesbezüglich eindringliche Berichte geliefert.) Wenige Tage später schränkten die Amerikaner nach wütenden Gegenangriffen ihr Verlangen dahin ein, dass nur der Ascher und der Rumburger Zipfel an Deutschland angeschlossen werden sollten. Schließlich, am 13. März, schmolz die Kommissionsmeinung auf den schmalen Kompromiss zusammen: Lediglich der Bezirk Asch, aber weder Eger noch Rumburg sollten mit Deutschland vereinigt werden. Als dann am 26. März der Schlussbericht des "Hauptausschusses für Gebietsfragen" vorlag, stand darin zu lesen, dass die britische, französische und italienische Abordnung für die Beibehaltung der alten Grenzen seien, die Amerikaner dagegen die "Grenzvorsprünge" (Asch und Rumburg) abzuschneiden wünschten. Am 4. April zerbröckelte auch dieser letzte amerikanische Vorbehalt. Es gab einen kurzen heftigen Wortwechsel zwischen Clemenceau, Lloyd George und dem Vertreter des erkrankten Wilson, Oberst House. Als dann am 15. April die "Großen Vier" wieder zusammentraten, zählte ihnen Großbritanniens Außenminister Balfour die Grenzfragen auf, die es noch zu regeln galt. Die Grenzen zwischen Deutschland und der neugeschaffenen Tschecho-Slowakei waren nicht mehr dabei. Hier gab es nichts mehr zu regeln: Die Würfel waren gefallen. Das kurze Spiel auf der weltpolitischen Bühne, mit dem Namen der kleinen Stadt Asch am Rande, war zu Ende. Am 2. Juni wurden der deutschösterreichischen Delegation, der auch Lodgman und Seliger angehörten und die man unter demütigenden Umständen drei Wochen lang z. T. hinter Stacheldraht hatte warten lassen, das Diktat mitgeteilt. Der Friedensvertrag von St. Germain, der alle Keime der späteren unseligen Entwicklungen nicht nur hinsichtlich unserer sudetendeutschen Heimat in sich barg, wurde am 10. September 1919 unterzeichnet. In ihm heißt es, dass "die Völker Böhmens, Mährens und eines Teils von Schlesien aus eigenem Willen ihre Vereinigung zu einem dauernden Bund behufs Schaffung eines einheitlichen, souveränen und selbständigen Staates unter dem Namen Tschecho-Slowakische Republik, beschlossen" hätten.

Alle Warnungen waren verpufft. Vergebens hatte Coolidge, Amerikas Experte für Österreich-Fragen in St. Germain, seherisch gesagt, es wäre für die Zukunft des neuen Staates gefährlich und vielleicht verhängnisvoll, ihm die Sudetendeutschen auszuliefern.

Thomas Schott
Copyright: Stiftung Ascher Kulturbesitz

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