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Der evangelische Pfarrsprengel

Die Geschichte der Ascher Kirche ist eng verwoben mit dem politischen Schicksal des Ascher Gebietes.
Um 1200 stand an dem Platz der späteren großen Kirche eine kleine Holzkirche. Der dazugehörige Pfarrsprengel umfasste einige bayerische Dörfer, dazu die Orte Neuberg, Krugsreuth, Thonbrunn und Grün sowie die Pfarreien Adorf und Bad Elster im Vogtland. Die bayerischen Dörfer waren Schönlind, Neuhausen, Lauterbach, Wildenau und Teile von Reichenbach und Mühlbach. Sie gehörten seit dieser Zeit (nur!) kirchlich zu Asch und wurden erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Bayern eingepfarrt.
Weltliche Besitzer dieses ganzen Gebietes waren um 1200 die Herren von Neuberg, die es im 13. Jahrhundert dem König von Böhmen als Lehen übergaben. Sie erhielten dafür die Reichsunmittelbarkeit, d.h. den Schutz des Königs (als oberstem Lehensherrn) vor nachbarlichen Ansprüchen. Die damit verbrieften Rechte sollten für die Ascher Kirchengeschichte in den nächsten Jahrhunderten von Bedeutung werden.
Um 1270 mischten sich die Plauener Vögte in die kirchlichen Angelegenheiten des Ascher Gebietes ein und widmeten es dem Deutschherrenorden; fortan übernahm dieser die Verantwortung für das kirchliche Leben. Er ließ 1370 eine steinerne Kirche bauen, dem heiligen Ludwig geweiht. Der quadratische Unterbau des Turmes überdauerte alle weiteren baulichen Veränderungen.
Um 1400 ging der weltliche Besitzstand des Ascher Gebietes an die Herren von Zedtwitz, die Nachfolger der Herren von Neuberg. Sie behielten die Reichsunmittelbarkeit bei.
Einer der Herren von Zedtwitz begleitete den Schirmherrn Luthers, Friedrich den Weisen von Sachsen, im Jahre 1521 zum Reichtag nach Worms. Hier musste sich Luther vor Kaiser und Reich (weltliche und geistliche Fürsten) für seine Bibelauslegung verantworten. Luther wurde von der offiziellen Kirche verurteilt und als vogelfrei erklärt. Dennoch bekannte sich die Bevölkerung des Ascher Gebietes zur "neuen Lehre".
1542 fand der erste Gottesdienst statt, in dem das Heilige Abendmahl in Brot und Wein ausgeteilt wurde, fortan ein Kennzeichen des Protestantismus.
Um 1560 übernahmen die Herren von Zedtwitz auch die kirchliche Oberhoheit über das Ascher Gebiet. Damit endete der Einfluss des katholischen Deutschherrenordens.
Der Grundstein zur ersten evangelischen Ascher Kirche wurde am 1. Mai 1622 gelegt. Schon am ersten Adventssonntag konnte die neue Dreifaltigkeitskirche eingeweiht werden.
Während des Dreißigjährigen Krieges zwang eine kaiserliche Kommission die Herren von Zedtwitz unter Androhung des Landesverweises, den "neuen Glauben" aufzugeben. Sie aber beriefen sich auf ihre seit dem 13. Jahrhundert verbrieften Rechte und betonten im Übrigen ihren sonstigen Gehorsam gegenüber dem Kaiser. So erreichten sie, dass sie bleiben konnten und lediglich einen katholischen Pfarrer in Asch anstellen mussten, der jedoch mangels Gemeinde nach zwei Jahren wieder abzog.
Die Herren von Zedtwitz ließen mit politischem Geschick die kirchlichen Verhältnisse in den folgenden Jahren ungeregelt. Es wurde überhaupt kein Pfarrer angestellt. Gottesdienste wurden im Wald gefeiert oder auch in den bayerischen Dörfern, die weltlich zum protestantischen Brandenburg gehörten. Erst nach dem Westfälischen Frieden von 1649 beriefen sie wieder evangelische Geistliche nach Asch.
1682 wurde der Kirchturm durch eine achteckige zweifache Kuppel (Zwiebelturm) erhöht. Evangelische, die aus bestimmten Gebieten Österreichs vertrieben worden waren, fanden in Asch eine neue Heimat; die Gemeinde wuchs. 1747 wurde der Grundstein zu einem Kirchenneubau gelegt. Am 1. Advent 1749 feierte man in der neuen Dreifaltigkeitskirche zum ersten Male Gottesdienst. Diese Kirche hatte drei Emporen mit insgesamt mehr als 2500 Sitzplätzen. Der Bau selbst sowie die Innenausstattung wurde ausschließlich von Handwerkern aus Asch und Umgebung geschaffen. Dieses Gotteshaus blieb bei den Bränden verschont, welche die Stadt in den Jahren 1781, 1814 und 1872 heimsuchten. Sie überstand auch die beiden Weltkriege.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts mussten sich die Herren von Zedtwitz der böhmischen Krone beugen. Zugleich gewährte Kaiserin Maria-Theresia durch die so genannten "Temperamentspunkte" 1775 die freie Religionsausübung nach dem evangelischen Bekenntnis und für die Gemeinden Asch, Neuberg und Rossbach ein eigenes Konsistorium. Das Ascher Gebiet blieb evangelisch.
Andernorts im österreichischen Kaiserreich durften sich Evangelische nur in schmucklosen und unauffälligen (d.h. ohne Turm) so genannten Toleranzbethäusern versammeln. Welch ein Bauwerk hingegen die evangelische Kirche in Asch mit ihrem herausragenden Turm! Die größte protestantische Kirche im alten Österreich!
1869 wurde das Ascher Gebiet in den k. u. k. Oberkirchenrat in Wien einbezogen. Asch erhielt eine eigene Superintendentur. Die Zedtwitzsche kirchliche Oberhoheit endete nach über 300 Jahren bewegter Geschichte.
Die namhaften Ascher Kirchenmänner um die Jahrhundertwende waren:

Pfarrer Traugott Alberti Vater des durch seine Heimatgeschichte bekannt gewordenen Karl Alberti. 1870 wurde Traugott Alberti zum Superintendenten berufen. Die Universität Wien ernannte ihn zum Ehrendoktor. Kaiser Franz-Josef zeichnete ihn aus mit dem Ritterkreuz der Eisernen Krone und dem Komturkreuz des Franz-Josef-Ordens.
Pfarrer Emil Hildemann, nachfolgender Superintendent. Er schrieb ein umfassendes Werk über die evangelischen Kirchengemeinden im Ascher Gebiet.

Trotz geringer finanzieller Mittel gab es ein reges Gemeindeleben:
1883 wurde das Lutherdenkmal errichtet,
1894 ein Verein Evangelischer Glaubensgenossen gegründet,
1900 ein Verein für Diakonie,
1902 der evangelische Frauenverein.
1917 gründete Pfarrer Held den Verein für evangelische Waisenpflege.
1911 wurde von Gustav Geipel eine neue Orgel mit 3 Manualen, 57 klingenden Stimmen und 4318 Orgelpfeifen gestiftet.

Für die gewachsene evangelische Einwohnerschaft wurden drei Pfarrer angestellt.
Um 1900 baute man drei Pfarrhäuser gegenüber der Kirche. Im mittleren Pfarrhaus befanden sich außer der Pfarrwohnung im Erdgeschoss die Kanzlei für die kirchliche Verwaltung samt dem Archiv sowie ein Betsaal. Das ist bis heute so.
1922 erfolgte der Anschluss an die deutsche evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien mit der Kirchenleitung in Gablonz. Pfarrer Dr. Georg Held wurde als Kirchenrat gewählt.

In der für das Ascher Ländchen unruhigen Zeit zwischen den Weltkriegen mag die Ascher Kirche mit ihrem weithin sichtbaren, trutzigen Turm und dem hohen Kirchenschiff wie eine Zufluchtsburg gewirkt haben, in der man Ruhe finden konnte für die geängstigte Seele. Während der Kriegszeit, die so unsäglich viel Leid gebracht hat, mögen die Menschen in dieser Kirche sich Trost und Hoffnung geholt haben, um alles Schwere durchstehen zu können.

Letzte deutsche Pfarrer in Asch waren:

Dr. Georg Held (1875 bis 1950)
Hans Mikuletz (1892 bis ? )
Gustav Alberti (1905 bis 1986)
Adolf Thorn (1913 bis ? )

Den letzten deutschen ev.-lutherischen Gottesdienst in der Ascher Kirche hielt Pfarrer Krehan am 6.10.1946. Zum Schluss sang die Gemeinde "Ein feste Burg ist unser Gott".
Nach der Vertreibung der Deutschen (1945/46) gab es nur noch eine kleine deutsche evangelische Gemeinde. Für die ebenfalls nicht sehr zahlreiche tschechische Gemeinde wurde ein tschechischer evangelischer Pfarrer angestellt. Soweit möglich hielt dieser Pfarrer auch Gottesdienste in deutscher Sprache.
Pfarrer Gustav Alberti wurde im Mai 1946 ausgewiesen. Er übernahm als Pfarrer von Erkersreuth bei Selb jene eingangs erwähnten Grenzdörfer, für die er bis Kriegsende von Asch aus zuständig war.
Als er am 19. Januar 1960 nach dem Religionsunterricht in Wildenau nach Hause ging, erblickte er eine riesige Rauchwolke über Asch, und es schoss ihm sofort eine unheimliche Vermutung durch den Kopf: "Das wird doch nicht die Kirche sein." Dieser Gedanke sollte sich leider schrecklich bewahrheiten.
1958 begannen auf Drängen von Fachleuten des Denkmalschutzes in Prag umfangreiche Renovierungsarbeiten an der Ascher Kirche. Der tschechische Staat hatte bereits eine halbe Million Kronen in die Wiederherstellung der Bildwerke und der Orgel investiert, als am 19. Januar 1960 das Unfassbare geschah. Ein zur Trocknung aufgestellter Naphta-Ofen explodierte. Der Innenraum, der einschließlich der drei Emporen ganz aus Holz erstellt war, stand in wenigen Minuten in Flammen. Die Umfassungsmauern und die Grundstockwerke des Turmes blieben stehen, bis sie 13 Jahre später geschleift wurden, nachdem deutsche und tschechische Bemühungen zur Erhaltung der Kirche gescheitert waren.
Heute findet man auf dem ehemaligen Platz, auf dem sich das Gotteshaus befand, eine Grasfläche vor. Nur das Luther-Denkmal erinnert daran, dass es hier einmal eine rein deutsche evangelische Gemeinde mit einer stattlichen Kirche gab.
Im Jahre 1998 hat der Heimatverband Asch das Luther-Denkmal durch eine grundlegende Restaurierung vor dem Verfall gerettet.
Nach dem Brand fanden die Gottesdienste in dem Betsaal im mittleren Pfarrhaus statt. Auch der heute wirkende evangelische Geistliche, Herr Pfarrer Kucera, hält dort regelmäßig Gottesdienste in tschechischer und deutscher Sprache.

Thomas Schott
Copyright: Stiftung Ascher Kulturbesitz

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