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Kriegsende und Zusammenbruch in Asch

Dokumente der Vernunft und des Verlustes
Ironie des Schicksals: Am 3. Oktober 1938 hatte Hitler in Asch zum ersten Mal sudetendeutschen Boden betreten. Am 20. April 1945, dem 56. Geburtstag des Diktators, besetzen amerikanische Streitkräfte Asch ebenfalls als erste Stadt des Sudetenlandes. Asch ist damals mit rund 12000 Flüchtlingen völlig überfüllt. Fast die gesamte Bevölkerung besteht aus Frauen, Kindern und Verwundeten. Doch noch in den letzten Kriegstagen hält der Kampfkommandant an einer Order fest, die Stadt unter allen Umständen zu verteidigen. Der amtierende ehrenamtliche Bürgermeister Richard Dobl hält dies für ein Verbrechen. In seinem Tagebuch vom 2. bis 20. April schildert er seine Bemühungen, eine friedliche Übergabe zu erreichen.
Dobl muss dabei diplomatisches Geschick aufbieten, um den starrsinnigen Kommandanten zu Zugeständnissen zu bewegen. Es gelingt ihm, mit seinem „Appell zur Vernunft“ den Landrat und zwei Textilfabrikanten als engagierte Mitstreiter zu gewinnen. Dramatisch spitzt sich die Lage zu, als der Handschuhfabrikant Rudolf Singer als Parlamentär der Amerikaner eine kampflose Übergabe der Stadt erreichen soll. Noch einmal widersetzt sich der Kommandant. Singer übergibt daraufhin die Stadt in eigener Verantwortung und verhindert so ein Blutbad. Das Tagebuch Dobls ist im Archiv in einer Abschrift vorhanden. Ein Protokoll von Singer über die Ereignisse des 20. April ist angefügt. Sein Einsatz für die Stadt wird ihm nicht gedankt. Der Fabrikant wird nach dem Abzug der Amerikaner in das berüchtigte Lager Bory verschleppt und nimmt sich dort am 13. Juni 1945 nach Folterungen das Leben.
Singer gehört wie 871 weitere gefallene, vermisste oder verschollene Bürger zu den Kriegsopfern, wie eine Gesamterhebung der Ascher Bevölkerung ermittelt. Diese Gemeinde-Seelenlisten für die Orte des ehemaligen Heimatkreises Asch sollen Auskunft über jeden Einwohner vor der Vertreibung geben. Die Bestandsaufnahme erfolgt 1956 im Nachhinein und dient zur Feststellung der Verluste der vertriebenen Volksgruppen. Eine Sisyphusarbeit, der sich für Asch August Bräutigam und Josef Komma annehmen. Als Basis nutzen sie die Ergebnisse der Volkszählung von September 1939. Diese Daten müssen mit Informationen aus den Jahren bis 1945 vervollständigt werden. Aufrufe im Ascher Rundbrief, denen ein Fragebogen beigelegt wird, bringen Hunderte persönlicher Angaben über Familienangehörige ein. Sie führen zudem auf die Spur von Vermissten, Verschleppten, ehemaligen Hausgenossen, Nachbarn oder Bekannten. Im April 1959 hat Asch als erste sudetendeutsche Stadt über 10 000 Einwohner die Gesamterhebung abgeschlossen. Die Bilanz von Bräutigam und Komma: Die Ascher Seelenliste enthält 24 326 Personen, das gilt als nahezu vollständig. Das Archiv übernahm die Akten 1961 in einer großen Holzkiste. Erhalten sind sie geordnet in 13 Bände mit Seelenlisten nach Straßenzügen sowie ebenfalls 13 Bände Haushaltsbögen, deren Angaben in die Listen einflossen.
Im Archiv finden Sie dazu folgendes Material:
Exponat Nr. 821/822: Zwei Dokumente aus den letzten Kriegstagen (Scan, Brief Singer, 0,39MB)
Exponat Nr. 823: Dobl: Appell an die Vernunft
Exponat Nr. 8299: Index der Haushaltslisten
Exponate Nr. 8300 bis 8312: Haushaltslisten Asch
Exponate Nr. 8313 bis 8325: Seelenlisten Asch A bis Z
Exponat Nr. 8326: Seelenliste Steinpöhl – Elfhausen
Exponat Nr. 8327: Seelenliste Grün
Exponat Nr. 8328: Seelenlisten Lindau und Niederreuth
Exponat Nr. 8329: Haushaltslisten Neuenbrand, Eger, Tetschen
Exponat Nr. 8298: Haushaltslisten Steinpöhl
Exponat Nr. 8293: Aufzeichnungen über Kriegstote 1939 bis 1945
Exponate Nr. 8294 bis 8297: Schriftverkehr zur Gesamterhebung 1957 Stadt Asch
Exponat Nr. 1501: Tins: Eigenwillige Geschichte des Ascher Ländchens
Ausgewählte Bestände
Thomas Schott
Copyright: Stiftung Ascher Kulturbesitz

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