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Wirtschaft und Gewerbe in Asch

Der im Nordwesten Böhmens liegende, von Bayern und Sachsen umrahmte Ascher Bezirk mit über 14.000 Hektar Fläche und rund 45.000 deutschen Einwohnern bildete mit seinen Nachbargebieten Eger-Wildstein-Fleißen eines der größten Textilgebiete der Tschechoslowakei. Sein Hauptort, die Stadt Asch mit ungefähr 24.000 deutschen, der Mehrheit nach evangelischen Einwohnern, lag und liegt hart an der bayrischen Grenze am Fuße des 752 Meter hohen turmgekrönten Hainberges, in einer durchschnittlichen Meereshöhe von 650 Metern. Sie lag an der Reichsbahnstrecke Eger-Hof, von der die Staatsbahn Asch-Adorf abzweigte, im anmutigen waldreichen Hochlande inmitten der nahe gelegenen Kurorte Franzensbad, Bad Brambach, Bad Elster und Alexandersbad im Fichtelgebirge.

Sie war Zollgrenzort, Sitz der Bezirksbehörde, des Bezirksgerichtes und anderer Behörden und Ämter, z. B. eines evangelischen Pfarr- und Kirchenkreisamtes, und wies neben mehreren Volks- und Bürgerschulen, neben Fortbildungsschulen und Kindergärten an mittleren Schulen ein Staatsrealgymnasium und eine Staatliche Textil-Gewerbeschule vor. Straßen und Gassen waren vorbildlich gepflastert; das Straßenbild war durch die Beseitigung von Verkehrshindernissen und durch stattliche Neubauten (zwei Lichtspielhäuser, Schulhäuser, Turnhalle, Schützenhaus) wesentlich verschönt worden. Durch die Höhenlage und das bergige Gelände, in dem die Ausläufer des Fichtelgebirges, des Erzgebirges und des Böhmerwaldes zusammenstoßen, ist das etwas raue und feuchte Klima bedingt, das zwar die Landwirtschaft beeinträchtigt, dafür aber den Wintersport begünstigt. Die geringe Ertragsfähigkeit des Ackerbodens zwang schon vor Jahrhunderten die genügsame und fleißige Bevölkerung, sich ebenso wie im benachbarten Vogtlande durch Hausweberei, Leinwand - und Zwillicherzeugung sowie Strumpfwirkerei einen Nebenerwerb zu schaffen.
In Asch wurden zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf einfachen Handwebstühlen baumwollene Kopf- und Halstücher, Musselin und Schleier, seit 1830 auch Tischtücher und Möbelstoffe, seit 1842 halb- und reinwollene Damenkleiderstoffe, Halbseidenstoffe und Flanelle erzeugt. In Rossbach dagegen, dessen Weber schon um 1833 die Jacquardmaschine einführten, stellte man damals zumeist Waren für Indien und Spanisch - Amerika her, z. B. Brochês, billige Nachahmungen von Kaschmirschals. 1865 - im Jahre der Eröffnung der Bahn Eger-Hof - entstand in Asch die erste mechanische Weberei für gemusterte baumwollene Kleider- und Hemdenstoffe später A. Kirchhoffs Nachfolger), das erste Unternehmen dieser Art im alten Österreich. Andere große Unternehmungen (Christian Geipel u. Sohn, Gebrüder Adler, J. C. Klaubert u. Söhne) folgten diesem Beispiele in den nächsten Jahren. Damals entstand auch die Ascher Webschule. Neben der Weberei entwickelten sich auch die Färberei und Appretur zur Fabrikindustrie, teils in unmittelbarer Verbindung mit den Webwarenfabriken, teils in eigenen Betrieben (z. B. den Vereinigten Ascher Färbereien). Dazu kam seit der Zeit um 1900 die Herstellung von Tüllen, Spitzen, Stickereien, Gardinen und Teppichen, ferner die Erzeugung von Halbfabrikaten in Baumwoll-, Vigogne- und Wollspinnereien.

Die Strumpfwirkerei war in Asch und seiner Nachbarschaft schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch Einwanderer aus Thüringen und Sachsen eingebürgert worden. Die Meister der Ascher Strumpfwirker-Innung, deren Zunftordnung aus dem Jahre 1744 stammt, erzeugten auf dem Handrösschen bzw. Walzenstuhl meist Strümpfe, daneben auch Kinderleibchen, Schlafhauben und Handschuhe. Um 1845 waren in Asch rund 500 Strumpfwirkerstühle in Betrieb; ihre Erzeugnisse, vor allem die teuer bezahlten feinen Seidenstrümpfe, gingen vorherrschend nach Lombardo-Venetien, Ungarn und Polen.
Während des Ersten Weltkrieges stockte die Arbeit fast in allen textilen Betrieben, soweit sie nicht mit Heereslieferungen für Militärtuch, Zeltblätter, Decken, Trikotwäsche, Handschuhe, Wickelgamaschen, Sandsäcke beteiligt waren. Nach dem Zusammenbruche konnten deshalb die meisten Fabriken wegen Rohstoff- und Geldmangels die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Tausende von Arbeitslosen lebten von der Staatsunterstützung, andere arbeiteten in den Porzellanfabriken im nachbarlichen Bayern oder zogen ganz fort.
Asch allein verlor damals ein Fünftel seiner Vorkriegsbevölkerung. Langsam nur kamen die alten Betriebe wieder in Schwung und nahmen die Produktion wieder auf.
Um einen Überblick über die vielseitige Textilindustrie im Ascher Gebiete zu geben, seien ihre wichtigsten, wegen ihrer Güte gerühmten Erzeugnisse hier angeführt:
Damenkleiderstoffe aus Baumwolle, Halbwolle, Wolle, Halbseide, Kunstseide; Barchente, Zephyre, Oxforde, Kopf- und Schultertücher; Trikotwäsche und seidene Unterwäsche aller Art, Leibchen, Badetrikots, Strümpfe und Socken, gestrickte Jacken, Jumper, Kleider und Sportartikel, Handschuhe; Teppiche, Läufer, Plüschüberwürfe; Bett- und Tischdecken, Madras- und Künstlervorhänge, Portieren, gewebte Spitzen, Stickereien, Tülle, Etamine, Frotteestoffe und vieles andere.
In Asch konnte man sich für alle Wetter und Jahreszeiten von Kopf bis Fuß vollständig einkleiden. Egal ob für Mann, Frau und Kind.
Verschiedene andere leistungsfähige Industrieunternehmungen wie Brauereien, Schlossereien, Metallgießereien, Maschinenwerkstätten, Druckereien, Brettsägen, Ziegeleien, Schuhfabriken, eine Senf- und Essigfabrik, eine Hutfabrik, ein Elektrizitätswerk, ein Gaswerk waren in Asch ansässig. Eine Vielzahl von Kleinbetrieben, Hauswebern, Hauswirkern (Hausleierern) verstärkten noch den industriellen Charakter des Ascher Bezirkes, dessen Bevölkerung fast zu vier Fünfteln von der Industrie ihr Brot erhielt.
Die Stadt Asch wurde aufgrund ihrer qualitativen Erzeugnisse eine weltbekannte Textilstadt.
Der Anschluss 1938 an das Deutsche Reich brachte erhebliche Änderungen mit sich. Die Handschuherzeugung schrumpfte ein. Die edlen Woll- und Kammgarnstoffe, den englischen Stoffen ebenbürtig, wurden durch halbwollene, ja sogar zellwollene Produkte ersetzt. Einen weiteren Rückgang der Industrie verzeichnete man durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Teilweise wurden Betriebsanlagen ausgelagert, denn die Rüstungsindustrie hatte Vorrang, jedoch das bittere Ende folgte 1945. Durch den verlorenen Krieg und völligen Zusammenbruch der Wirtschaft erlebte die Ascher Industrie einen noch nie dagewesenen Tiefstand.
Tschechischsprachige Verwaltung ermächtigte sich allen deutschen Eigentums und konnte nicht annähernd an die seit vielen Generationen mühsam aufgebaute Industrie anknüpfen. Die völlig entrechtete deutsche Bevölkerung wurde aus der seit über 700 Jahren angestammten Heimat ausgewiesen oder vertrieben. Die Bevölkerung, jetzt tschechischer Herkunft, schrumpfte unter die Hälfte des Vorkriegsstandes zurück. Der Verfall der Stadt begann und setzte sich immer schneller fort. Damit erlosch die Historie dieser deutschen Stadt in Böhmen.

Thomas Schott
Copyright: Stiftung Ascher Kulturbesitz

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